Über Erfolge reden – schwierig in einer leider weiterhin gesellschaftlich überwiegend bedeutungslosen radikalen Linken. Häufig in der Defensive und auf die Rolle des Reagierens gegen autoritäre Umtriebe aller Art beschränkt, bleiben eigene Setzungen oftmals auf der Strecke. Auch in der Corona-Krise offenbart sich nurmehr eine Handlungsunfähigkeit, an der kleinere Solidaritätsnetzwerke oder Kampagnen nichts entscheidend drehen.
Über Erfolge reden bleibt allerdings unentbehrlich – auch wenn sie aus einer Defensivposition heraus entstehen und der langfristige Gehalt sicherlich wie im folgenden Fall diskutabel ist.
(aus: In/Press #9, November 2020)
Vergleicht man jedoch den antifaschistischen Gegenprotest beim Landesparteitag der AfD in Braunschweig 2018 mit dem anlässlich der gleichen Veranstaltung Mitte September, lässt sich ein klarer Aufwärtstrend feststellen – und dieser ist auch den Bullen nicht verborgen geblieben. In der Rückblende zum Ablauf des diesjährigen Parteitags konstatierten sie in der Braunschweiger Zeitung, dass doppelt so viele „aktive Störer“ wie erwartet sich an diesem Tag die Straße nahmen. Die optimistischen Kalkulationen der Staatsmacht im Vorfeld beruhten dabei offensichtlich auf den Protesten 2018. Was ist seitdem passiert?
Hier ist sicherlich der AfD-Bundesparteitag 2019 als eine Art Katalysator für die Braunschweiger Linke zu betrachten. Obwohl an diesem Wochenende Ende November der Ablauf des Parteitags letztlich nicht nachhaltig gestört werden konnte, wurde bewiesen, dass man vor Ort sowohl regional als auch überregional durchaus mobilisierungs- und handlungsfähig ist. Diesen Umstand unterstreichen sowohl die autonome Vorabenddemo mit über 1500 Teilnehmer*innen als auch der bürgerliche Großprotest vom Bündnis gegen Rechts mit 20.000 Demonstrant*innen, davon mehr als 10% im linksradikalen Block. Als Folge entstanden neue lokale Strukturen und die motivierende Selbsterkenntnis, dass die Organisation und Durchführung von Protesten in solcher Größenordnung in dieser Stadt machbar sind.
Dieser Rückenwind zeigte sich im Vorfeld des AfD-Landesparteitags im September dann auch im Stadtbild: Plakate, Graffiti und Aufkleber machten im erfreulich sichtbaren Maße auf die anstehende Mobilisierung aufmerksam. Der Tag selbst kann ebenfalls getrost als Erfolg verbucht werden: Über 300 aktive Antifaschist*innen sorgten für gehörige Störungen im Ablauf des Fascho-Treffens. Aufgrund mehrerer Blockaden auf den Zufahrtsstraßen zum Veranstaltungsort Milennium-Halle konnte der Parteitag erst mit deutlicher Verzögerung starten. Mindestens 100 anreisende AfD-Mitglieder steckten in ihren Autos und Bussen fest, mussten umdrehen und konnten schließlich nur über Umwege und unter Einsatz massiver Polizeigewalt verspätet zur Halle gelangen.
Nicht nur die Blockaden und die vielfältigen Proteste am Morgen setzten ein klares Statement für eine solidarische, antifaschistische Perspektive. Auch die anschließende Demo in die Braunschweiger Innenstadt mit insgesamt 3.000 Leuten sowie einem großen linksradikalen Block konnte sich wirklich sehen und hören lassen. 2018 hatte es hingegen nicht einmal die Versuche von Störungen, Blockaden und ähnlichem gegeben.
Was bleibt über Schulterklopfer hinaus? Die Braunschweiger radikale Linke hat zweimal bewiesen, dass sie sowohl überregional als auch regional mobilisierungs- und handlungsfähig ist gegen die Treffen des parlamentarischen Arms der extremen Rechten. Diagnostizierte Ermüdungserscheinungen im jahrelangen Kampf gegen stadtbekannte Nazis müssen also nicht zwangsläufig Rückschlüsse auf die Handlungsfähigkeit der Szene zulassen. Vielmehr heißt es, den Schwung der erfolgreichen Proteste gegen die AfD zu kanalisieren: in wirkungsvolle Aktionsformen und neue, nachhaltige Arten der lokalen Vernetzung. Damit wir auch in Zukunft trotz allen gesellschaftlichen Gegenwinds weiter über Erfolge reden können.