Rezension: Kobane Calling

[Zerocalcare 2017; 272 Seiten (Hardcover); avant-verlag; 24,95€]

(aus: In/Press #3, Oktober/November 2018)

„Kobane Calling“ ist ein Comic des italienischen Zeichners und Autors Zerocalcare. Ein Comic? Das ist vielleicht abschreckend für den einen* oder die andere*, schließlich ist das nicht unbedingt die Art von Literatur, die alle gerne lesen. Es ist nicht mal so richtig klar, ob das wirklich Literatur ist? Vielleicht sollte man es einfach Graphic Novel nennen, das klingt moderner, hipper und auch ein bisschen intelligenter. Yeah, also Übung von vorne.

Kobane Calling“ ist eine Graphic Novel von Zerocalcare, einem italienischen Zeichner und Autor, der sich selbst nach Kobane begibt und versucht uns in einer Art Reportage mitzunehmen. Er verarbeitet sich selbst und seine Erlebnisse in diesem Werk und das auf oftmals ironische, teilweise sehr ernste, doch immer schonungslos offene Art.

Wieso bewegt er sich aus seinem geliebten Rom nach Kurdistan? Wie erklärt man das den eigenen Eltern und was passiert mit einem Menschen, wenn er in verschiedenen Situationen nur zum Zuschauen verdammt ist? Das alles findet viel Platz bei ihm und das gibt dem Com… der Graphic Novel etwas sehr menschliches, etwas was wirklich zulässt, es als Reportage zu betrachten. Er gewährt Einblick in seine eigene politische Entwicklung, seine Denkweise und auch in seine Erwartungen. Ein besonders interessanter Moment ist dabei, wenn er zum ersten Mal im Grenzgebiet zu Rojava aktiv ist, um dort humanitär zu unterstützen und für sich selbst verarbeiten muss, dass nur ein paar Autominuten entfernt der IS aktiv versucht die Stadt einzunehmen.

Letztere werden glücklicherweise nicht einfach nur als böse Gegner stilisiert, sondern es wird auch aufgezeigt, warum sie wirklich bekämpft gehören und wie fatal die Verstrickung des türkischen Staates mit dem IS ist.

Zerocalcares Begeisterung für den kurdischen Befreiungskampf ist groß und das macht er an den verschiedensten Facetten klar. Natürlich funktioniert es am einfachsten, indem man die untragbaren Alternativen aufzeigt, doch auch die Ideen einer emanzipatorischen Gesellschaft werden dort anerkennend thematisiert. Und das nicht nur im Kriegsgebiet selbst, immer wieder gibt es einen Sprung zurück nach Rom, in seine geliebte Heimat, wo er den Alltag nach den Reisen beschreibt und wie er auch dort euphorisch zu der Idee steht.

Diese Parteinahme macht das Ganze wirklich sehr interessant, denn es ist ein Versuch, den eigenen Antrieb aufzuzeigen und das gibt dem Ganzen viel Energie. Dabei bleibt die Graphic Novel immer angenehm lesbar und versackt nicht in totalem Pathos. Die Zeichnungen oder „Graphics“ sind schlicht in schwarz-weiß gehalten und nicht zu detailverliebt, was für das ungewohnte Auge eigentlich auch angenehmer ist. Man wird davon nicht überfordert und kann sich den Aussagen jeder einzelnen Szene widmen, statt sich in Einzelheiten zu verlieren.

Passend zur Einleitung sind Comics auch nicht unbedingt der Geschmack der hier rezensierenden Person, daher kann durchaus attestiert werden, dass der Zugang recht leicht ist und man sich schnell in der Handlung einfindet. Hilfreich sind dafür auch verschiedene Charaktere, die Gedankengänge und moralische Entscheidungen aufzeigen. So ist das, was im Kopf des Autors passiert genauso greifbar, wie direkt sichtbare Handlung.

Viel kann man mit dem Ganzen nicht falsch machen, ganz im Gegenteil, es ist erfrischend auch einmal in diesem Genre interessante Inhalte zu finden, die zugleich nicht so trist sind wie „Waltz with Bashir“ oder „Persepolis“.

Graphic Novel Calling!