Heute, am 25. November, ist der Internationale Tag zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen.
In Deutschland und weltweit ist das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen, Lesben, Inter, nichtbinär, trans und agender Personen – kurz FLINTA – nach wie vor erschreckend – und doch zeigt es auf, wie wir uns in dieser patriarchalen Gesellschaft nicht auf das kapitalistische System und den Staat mit seinen Institutionen verlassen können.
Unsere Anzeigebereitschaft ist gering, da wir wenig Vertrauen in die Polizei haben, die selbst misogyn vorgeht: Wie häufig werden Frauen nicht für voll genommen, unsere Anliegen runtergeredet, lächerlich gemacht oder gar ignoriert. Fast scheint es so, als sei es überhaupt nicht im Interesse der staatlichen Institutionen, sich um die Rechte & Bedürfnisse von Menschen zu kümmern. Und wenn sich dem doch angenommen wird, dann konzentrieren sich diese Maßnahmen speziell auf eine Mitschuld der Betroffenen, die sich nicht selten noch um sich selber kümmern müssen. Dieses Rechtssystem ist nicht dafür ausgelegt, die Betroffenen zu schützen und zu begleiten, geschweige denn sich präventiv mit den wirklichen Gewalttätern, den Taten und den sozialen Umständen, die diese erst ermöglichen, auseinanderzusetzen.
Um Gewalttaten zu vermeiden, setzt die Gesellschaft darauf FLINTA von Beginn ihres Lebens beizubringen sich zu schützen, statt Männern beizubringen keine Täter zu sein.
Allein diese Täter-Opfer-Umkehr führt im kapitalistischen System dazu, dass eine ganze Industrie von Schutzwerkzeug profitiert: Rosa Pfefferspray, lärmende Schlüsselanhänger, Schlagringe mit Katzengesichtern und Nagellack, der KO-Tropfen erkennen kann. Wir wollen aber keine hübschen Notfallkits – wir kämpfen für eine Welt, in der wir so etwas nicht brauchen!
Gewalt an FLINTA schließt aber noch viel mehr Aspekte ein: Stalking, Manipulation, und Einschüchterungen stehen an der Tagesordnung. Ungleiche Rechte, meist prekäre und schlechter entlohnte Arbeitsverhältnisse, daraus resultierende Armut, verwehrte Reproduktionsrechte, ständige Objektifizierung unserer Körper, mediale und gesellschaftliche Selbstoptimierungsanforderungen und nicht zuletzt gewaltvolle und einschränkende Geschlechterrollen.
Die gegenwärtigen Krisenzeiten tun ihr übriges, diesen skizzierten kapitalistischen Normalzustand für uns zu verschärfen. Die Inflation ist auf dem Vormarsch und mit ihr der Angriff auf reproduktive, queere, migrantische und demokratische Rechte – BIPOC sowie transidente Menschen finden sich schutzlos “ohne Rettungsschirm” wieder. Besonders Menschen in prekären Verhältnissen merken vom groß angekündigten “Doppelwumms” der Regierung nichts. Die fehlenden Antworten und Reaktionen der staatlichen Politik treffen diese Menschen unverhältnismäßig stark.
Diese Angriffe erfordern einen organisierten Widerstand und eine strategische Verteidigung. Sie verlangen, dass wir auf die Straße gehen, dass wir eine Massenbewegung wie die in Argentinien organisieren, die das Recht auf Abtreibung in einem überwiegend katholischen Land erkämpft hat. Wir haben die Möglichkeit, den “Betriebsablauf zu stören und lahmzulegen” – und das nicht nur auf der Straße, sondern auch an unseren Arbeitsplätzen.
Als organisierte Frauen sind wir in der Lage, die gesamte Wirtschaft für die Rechte der Arbeiter:innenklasse und der Unterdrückten lahmzulegen, und diese Macht müssen wir uns in Formen des Streiks zunutze machen.
Unsere Forderungsliste ist lang und sie ist kompromisslos:
Wir fordern das recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung, kostenlose und sichere Abtreibungen und eine geschlechtergerechte kostenlose Gesundheitsversorgung, kostenlose Kinderbetreuung, die Anerkennung von diversen Beziehungsmodellen und Arten des Zusammenlebens, die gerechte Verteilung von Arbeit zwischen den Geschlechtern – die Liste ist endlos!
Dies erfordert einen Feminismus, der das System als Ganzes sieht und bekämpft, ein System, das den Menschen der Arbeiter:innenklasse und den Unterdrückten ihre Grundrechte verweigert. Es verlangt einen Feminismus, der nicht nur von einer besseren Welt träumt, einer Welt der Freiheit und Gleichheit, sondern sich aktiv für diese Zukunft organisiert, die nur durch die Abschaffung des Kapitalismus erreicht werden kann.
Denn im Gegenzug dazu hat der neoliberale Feminismus Frauen, LGBTIQ+-Menschen, Menschen mit Behinderungen, BIPOC oder anderen unterdrückten Gruppen nichts zu bieten. Der “Girl-Boss”-Feminismus von Frauen in sogenannten Machtpositionen ist eine Einbahnstraße, die dazu dient, die fortgesetzte Ausbeutung und Unterdrückung von Hunderten von Millionen Menschen auf der ganzen Welt zu rechtfertigen.
Dieser “feel-good” Feminismus verzerrt die Befreiung dahingehend, dass er für einige wenige mehr einen Platz an der Spitze bedeutet; Platz, um an der alltäglichen Gewalt dieses imperialistischen kapitalistischen Systems teilzuhaben und in einigen Fällen sogar anzuführen. Er füttert uns mit der Lüge, dass man “die gläserne Decke durchbrechen”, “die Spitze diversifizieren” könne – doch wir wollen nicht auch einfach ausbeuten oder dem neoliberalen Feminismus folgend repräsentiert werden, oder gar einen Platz am Tisch dieses unterdrückerischen Systems zugesprochen bekommen. Unsere kollektive Befreiung bedeutet die Zerstörung dieses Tisches!
Denn um die politische Vision von emanzipatorischen Kämpfen greifbarer zu machen, müssen wir unseren Blick schärfen, auf globale Kämpfe aufmerksam machen und uns mit ihren Bewegungen verbinden: Denn wir stehen Hand in Hand und Schulter an Schulter mit den Frauen unter dem terroristischen Mullahregime der iranischen Republik, mit den Frauen die gegen die Taliban in Afghanistan kämpfen, in Kurdistan, wo Frauen gegen den IS oder den türkischen Faschismus vorgehen oder den Feminist:innen in Südamerika – und zeigen entschlossen über Grenzen hinweg, dass wenn ihr uns eine nehmt – wir alle antworten.
Eine emanzipatorische und feministische Praxis kann nur dann zielführend sein und ihr volles Potential entfalten, wenn wir die kapitalistische Verwertungslogik hinter uns lassen und gemeinsam für eine befreite Gesellschaft kämpfen!
Und deshalb muss es heißen:
kein Feminismus ohne Klassenkampf!
Kein Klassenkampf ohne Feminismus!
Genoss:innen, organisiert euch: Für ein schönes, selbstbestimmtes Leben für alle, jenseits von Faschismus, Patriarchat und Kapitalismus!