Die AfD versucht an diesem Samstag in Braunschweig auf den “Querdenken”-Zug aufzuspringen und ruft zu einem Aufmarsch durch die Innenstadt auf. Damit soll auf der Straße zusammenkommen, was ideologisch ohnehin zusammengehört, und in den vergangenen Wochen bereits über 1000 Personen mobilisierte.
Bei diesen als “Spaziergänge” verklärten Demonstrationen handelt es sich – bei aller Unterschiedlichkeit der dort vertretenen Personengruppen – im Kern um ein rechtes Projekt. Ihr gemeinsamer Nenner ist der Ansatz, sich gesellschaftliche Verhältnisse durch Verschwörungsmythen zu erklären und auf völkisch-autoritäre Pseudolösungen zu setzen.
Die Freiheit, die sie meinen
Was sie dabei nach außen hin eint, ist die vorgebliche Sorge um ihre Freiheit. Was sie tatsächlich wollen, ist das Beharren auf dem vermeintlichen Recht, ihre Interessen und Privilegien rücksichtslos durchzusetzen. Die Freiheit, die sie meinen, ist eine egoistische und sozialdarwinistische. Und sie wollen sie auf dem Rücken von jenen Menschen ausleben, die durch die Pandemie besonders gefährdet sind. Sie sehen die “Freiheit” ohne Masken einkaufen zu gehen wichtiger an als die Gesundheit großer Bevölkerungsgruppen. In einer individualisierten Gesellschaft, in der wir angeblich alles erreichen und sein können, wenn wir uns nur anstregen, ist ihnen der Sinn für gesellschaftliche notwendige Solidarität abhanden gekommen. Wieso an andere denken, wenn jede*r für das eigene Glück verantwortlich ist?
Als Rechtfertigung für ihr zunehmend gewaltvolles Vorgehen berufen sie sich außerdem auf einen angeblichen Volkswillen, den sie unterdrückt sehen. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass sich rechte Akteure von AfD über Hooligans bis hin zu organisierten Nazis inmitten dieser “Bewegung” wohlfühlen. Und inzwischen sehen sie sich in der Lage, die diffusen Rufe nach “Widerstand” vielerorts in ihrem Sinne in die Tat umzusetzen. In vielen Städten werden die Spaziergänge zu Spießrutenläufen für Menschen, die von ihnen als Feindbild markiert werden.
In Braunschweig äußerte sich das etwa über die letzten Wochen in zahlreichen Bedrohungen und gewalttätigen Übergriffen auf Journalist*innen, die versuchten die Aufmärsche zu dokumentieren, und auf Antifaschist*innen, die versuchten sich ihnen in den Weg zu stellen. Auch hier können wir beobachten, dass rechte Hooligans und bekannte Neonazi-Kader die Aufmärsche entscheidend prägen und nicht wie bei ihren eigenen Demos üblich, gesellschaftlich völlig isoliert sind.
Daneben ist jedoch ebenso zu beobachten, dass weiten Kreisen der selbsternannten bürgerlichen Mitte unter den “Querdenker*innen” nicht bloß egal ist, dass sie mit faschistischen Kräften zusammen auf die Straße gehen. Sondern sie teilen mit ihnen viele Feindbilder und schrecken dabei nicht mehr vor Gewaltandrohungen und Übergriffen zurück.
Höchste Zeit, diese gefährlichen Entwicklungen zu adressieren und dabei nicht nur die rechten Akteure in den Fokus zu nehmen sondern ebenso die gesellschaftlichen Verhältnisse, die sie ermöglichen.
Solidarisch durch die Krise
Denn es ist nunmal keineswegs so, dass es in dieser Pandemie keinen Grund gäbe, gegen politische Missstände auf die Straße zu gehen.
Während die politischen Maßnahmen im Rahmen der Pandemie-Bewältigung in erster Linie unsere sozialen Kontakte und unser Freizeitverhalten strikt regulieren, bleiben zentrale Bereiche des Wirtschaftsstandorts Deutschlands unangetastet. Wieder einmal sehen wir, wie die kapitalistischen Profitinteressen dem Wohlergeben der Menschen übergeordnet werden und in der Folge jene besonders stark belasten, die ohnehin schlechter gestellt sind und mit vielerlei Ausgrenzungserfahrungen zu kämpfen haben. Besonders deutlich zeigt sich dies an der Frage, wer sich im Homeoffice selbst schützen kann und welche Personen trotz Ansteckungsgefahr weiter prekär vor Ort arbeiten müssen: etwa in der Pflege, in körpernahen Dienstleistungen und im Einzelhandel.
In den letzten beiden Jahren erleben wir, wie die Corona-Krise lediglich die seit langem bestehenden, systematischen Probleme des kapitalistischen Normalzustands offenlegt. Sowohl das durch Privatisierungen und Wettbewerbsdruck kaputtgesparte Gesundheitswesen in Deutschland als auch die Verteilung der Impfkapazitäten auf globaler Ebene verdeutlichen die bestehenden Machtverhältnisse und Abhängigkeiten nachdrücklich.
Deshalb muss es uns – neben den unmittelbar notwendigen antifaschistischen Protesten – vor allem darum gehen, die gesellschaftlichen Verhältnisse so einzurichten, dass eine wirklich solidarische Überwindung von Pandemien und weiteren Krisen möglich wird.
Wie kurzfristige Schritte dazu aussehen könnten, beschreibt bereits seit Beginn der Pandemie die Initiative “Zero Covid”. Als ein zentraler Schritt soll über die Grenzen der Staaten hinweg das wirtschaftliche Leben eingeschränkt werden, um Infektionsketten zu brechen. Zusätzlich setzt die Strategie auf den Ausbau der Gesundheitssysteme und darauf, die Patente der Impfstoffe freizugeben, um schnellstmöglich allen Menschen weltweit eine Impfung zu ermöglichen. Finanziert werden die Maßnahmen aus Covid-Solidaritätsabgaben auf riesige Vermögen, Unternehmensgewinne und hohe Einkommensgruppen. Die Reichen müssen für die Krise zahlen, statt Rekordgewinne zu machen.
Dies kann jedoch nur ein Anfang sein. Setzen wir uns langfristig gemeinsam für eine linke, solidarische Antwort von unten gegen kapitalistische Zumutungen, Verschwörungsmythen und völkisch-autoritäre Mobilisierungen ein.
Für die Freiheit – für das Leben!